verfasst, am 13. November 2019 von David

Die Weitwinkel-Lochkamera

Lochkameras sind die einfachsten Kameras überhaupt. Entsprechend lag die Idee nahe, eine solche Kamera selbst zu bauen und eigene Versuche zur Photographie damit zu starten.

Allerdings besitzt eine Lochkamera mehrere Eigenheiten im Vergleich zu modernen Digitalkameras:

  • Bedingt durch die Konstruktion mit einem winzigen Loch kann nur sehr wenig Licht in die Kamera hineinfallen. Die Belichtungszeiten für ein einziges Photo liegen durchaus bei mehreren Stunden.
  • Die Auflösung und Schärfe des Photos wird nur durch den Lochdurchmesser und die Geometrie der Kamera bestimmt. Es gibt keine Möglichkeit, die Kamera zu fokussieren.
  • Es gibt aber auch einen gewaltigen Vorteil: Dadurch, dass es keine Fokussierung gibt, bildet die Lochkamera sowohl nahe, als auch weit entfernte Objekte mit der gleichen Schärfe scharf ab. Es gibt keine Tiefenunschärfe wie bei konventionellen Photoobjektiven.
  • Durch das Fehlen der Tiefenunschärfe existiert auch keine definierte Bildebene. Handelsübliche Digitalkameras besitzen einen flachen CCD-Chip. Der Film in einer Lochkamera kann hingegen auch gekrümmt eingelegt werden.

Letzterer Punkt ist für diese Kamera relevant, da dies auch runde Konstruktionen erlaubt, die sehr weitwinklige Aufnahmen ermöglichen, ohne dass das Bild wie bei Weitwinkel- oder Fisheye-Objektiven übermäßig verzerrt wird.

Ich habe meine Kamera nun als 3D-Modell in Fusion 360 konstruiert und anschließend mit dem 3D-Drucker ausgedruckt. Der Kamerakorpus besitzt einen Radius von rund 58mm, was exakt so dimensioniert worden ist, um ein handelsübliches Photopapier der Größe 5″x7″ im Halbkreis aufzunehmen. Die optimale Größe für das Loch der Lochkamera beträgt bei diesen Maßen rund 250 Mikrometer. Da mir kein Druckprozess zur Verfügung steht, der perfekte Löcher in dieser Größe herstellen kann, ist vorne eine Tasche anmodelliert worden, in welche ich nachträglich ein beliebiges Blech mit einem passenden Loch einschieben kann. Die Herstellung einer passenden Lochblende ist tatsächlich der schwierigste Arbeitsschritt beim Kamerabau gewesen. Zusätzlich ist noch ein passender Deckel konstruiert und gedruckt worden.

Um die Lochblende zu fertigen, habe ich eine Getränkedose aufgeschnitten und mit einer Nähnadel vorsichtig ein winziges Loch hineingedrückt. Das Loch muss hierbei sehr vorsichtig geformt und darauf geachtet werden, dass es exakt rund und ohne überstehende Kanten geformt ist. Ich habe das Loch dazu unter einem Mikroskop untersucht und nach vier Versuchen ein brauchbares Loch mit einem Durchmesser von 300 Mikrometern hinbekommen.

Das Loch der Lochkamera mit ca. 300µm Durchmesser unter dem Mikroskop

Auf dem Bild ist gut sichtbar, dass der Rand des Loches noch übersteht. Dies würde auf dem fertigen Bild Artefakte und Unschärfen erzeugen. Daher wurde das Loch noch mit Schleifpapier flach geschliffen.

Die fertig gebaute Kamera konnte nun in einem Zimmer mit minimaler LED-Rotlichtbeleuchtung (dies ist meine improvisierte Dunkelkammer) mit einem Photopapier bestückt werden und die Lochblende mit einem schwarzen Klebeband verdeckt werden um auf den Start der Belichtung zu warten.

Die fertige Kamera während der Belichtung

Die Kamera arbeitet ungefähr bei Blende 220 und das verwendete Photopapier besitzt eine Lichtempfindlichkeit von geschätzt 5 ISO. Da es keinen Belichtungsmesser gibt, der bei 5 ISO und Blende 220 die Belichtungszeit analoger Photographien absolut zuverlässig messen kann, ist hier Ausprobieren angesagt.

Um ein Bild zu belichten, muss die Kamera nun sehr lange fest an einem Ort stehen, weshalb ich die Kamera im Büro auf ein Regal gestellt habe. Die erste Aufnahme erfolgte dann mit insgesamt 6h20min Belichtungszeit über einen Arbeitstag hinweg. Zurück daheim konnte im dunklen Zimmer das belichtete Photopapier aus der Kamera entnommen werden und chemisch entwickelt werden. Die benötigten Chemikalien sind glücklicherweise auch heutzutage noch im Fachhandel erhältlich.

Analoge Photographien müssen in mehreren Schritten chemisch entwickelt und fixiert werden.

Der Entwicklungsprozess folgt den Angaben des Herstellers, hier sind keine Besonderheiten zu beachten. Aus dem Entwicklungsprozess folgt dann das fertige Negativbild und man hält seine fertige Lochbildphotographie in den Händen. Dieses kann anschließend gescannt und im Computer invertiert werden,

Auf dem Bild sind alle Büromöbel problemlos sichtbar. Die Unschärfen vor den Computern stammen von mir und meinem Kollegen, da wir uns während der Belichtungszeit natürlich bewegt haben. Viele Details sind sichtbar, aber auch mehrere fleckige Strukturen ziehen sich über das Bild.

In einem späteren Versuch stellte sich heraus, dass die Flecken noch auf ein unzureichend langes Entwicklungsbad zurückzuführen waren. Für das nächste Bild wurde die Kamera direkt im Makerspace aufgestellt und diesmal konnte nach 3 Stunden Belichtungszeit tatsächlich ein gutes Bild vom Space erstellt werden:

Das bislang beste Lochkamera-Photo des Makerspace. Die Panorama-Verzerrung der weitwinkligen Abbildung von über 160° ist gut sichtbar.

An diesen Aufnahmen kann nun auch gut die weitwinklige Panorama-Abbildung der runden Kamera illustriert werden. Der gesamte Aufnahmewinkel von der linken bis zur rechten Kante beträgt etwa 160°.

Ein interessanter Effekt dieser Aufnahmen ist auch, dass Menschen praktisch nicht abgebildet werden können. Da sie sich stetig bewegen und nicht mehrere Stunden regungslos im Bild sind, können sie nur als verwaschene Schatten erscheinen. Auf der Aufnahme des Makerspace sind beispielsweise an den Tischen mehrere weiche Schatten sichtbar. Dies ist alles, was von Menschen auf diesen Aufnahmen übrig bleibt.

Über den Autor

David

Astrophysiker, arbeitet im Schülerforschungszentrum der experimenta im 4. Stock, hängt in seiner Freizeit aber regelmäßig im Makerspace herum

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